auf dem Weg zur Quelle

Die zwölfte Spur – Gemeinschaft

Lebendige Gemeinschaft

Wenn man in Kreisen spirituell oder mystisch interessierter Menschen auf das Thema “ Kirche“ zu sprechen kommt, sinkt die Bereitschaft zu vornehmer Sachkritik – und das noch mehr, wenn das Adjetiv „Katholische“ bestimmend ist. Und es gibt ja nun wirklich zu Hauf Anhaltspunkte und Gründe für eine umfassende Systemkritik. Diese bezieht sich vor allem auf die Strukturen dieser Kirche als klerikal-hierarchisch-männerbündisches (im Falle der katholischen Kirche) System und auf eine in Dogmen gegossenen Glaubenslehre. Der lebendige und lebenspendende Geist Jesu scheint im Lauf der Jahrhunderte in den Steinmassen der Glockentürme christlicher Kirchen seine letzte und festumschlossene Ruhestätte gefunden zu haben.
Verstärkend hinzu kommen die Mißbrauchsskandale der letzten Jahre und eine Lamettaisierung des innerkirchlichen Jargons, dessen Sprachbilder von Nicht-Eingeweihten kaum noch verstanden werden.
Das ist das eine.

Das andere sind viele christliche Gemeinden, in denen, jenseits der skizzierten Problemfelder, Menschen zusammen kommen und sich in verschiedensten Bereichen auf vielfältige Weise einbringen. Dieses Engagement bezieht, vor allem im caritativen Bereich, auch Menschen ein, die mit Religion und christlichem Glauben nichts zu tun haben. Ja, es gibt es noch, das lebendige und Grenzen überwindende Wirken mit- und füreinander im Geiste Jesu. Und dort, wo es dieses Wirken nicht mehr gibt, wird es wachsen können, wenn man davon Abschied nimmt, dass alles von „oben“ gestaltet und geregelt werden müsste. Dann wird, was systembezogen in Stein gemeißelt zu sein scheint, im geteilten Miteinander engagierter Christinnen und Christen vielerorts zu neuem Leben erwachen.

Meine persönliche aber nicht repräsentative Erfahrung ist, dass Kirche auch für mystisch orientierte Menschen Heimat und ein Ort für Weiterentwicklung sein kann. Es gibt vielfältige Tätigkeitsfelder, in denen Charismen und Talente von Frauen und Männern gefragt sind und zur Geltung kommen können. Und ich habe als Laie (das trifft für Hauptamtliche leider oft nicht zu) eine große Freiheit erlebt (oder mir genommen) als Voraussetzung auch für das Austragen unumgänglicher und manchmal auch schmerzhafter Konflikte.

Kirchenfundamentalistisch orientierte Christen und pauschal argumentierende Kirchenkritiker identifizieren sich scheinbar gleichermaßen mit dem hierarchisch-klerikalen System, die einen in ihrer Anbetung, die anderen in ihrer Ablehnung. Die Alternative ist, sich mit dem lebendigmachenden Geist zu identifizieren. Der wohnt in keinem System, sondern im Herzen des Lebens. Ob man sich dann kirchlich engagiert oder in einem anderen Lebensdienst, scheint von geringerer Bedeutung zu sein. Es sei denn, der lebendigmachende Geist führt. Dann hat man, wenn man authentisch leben will, keine Wahl.

Photo: Peter Helmling

2 Kommentare

  1. StefanieFrank

    Lieber Roland, was meinst Du mit Lamettaisierung des innerkirchlichen Jargons? Das habe ich noch nie gehört.

    • ro2306kl

      Mir kam der Begriff, weil ich an Lametta dachte, also Glitzerzeug, das über den Tannenbaum geworfen wird, Stefanie.
      Damit meine ich „glänzende“ Begriffe, deren Substanz sich Nichtgeweihten nicht erschließt, also z.B. Kirche als „Braut Christi“.
      Oder, wenn in innerkirchlich schwierigen Prozessen das Argument kommt, es werde sich doch sicherlich alles zum Guten wenden,
      weil der „Heilige Geist“ ja doch leitend wäre. Nach dieser Logik wäre im gestoppten synodalen Prozess des Bistums Trier
      der „Heilige Geist“ gerade nicht im Vatikan leitend(!?).

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