Wenn man Religion zunächst als Beziehungsaufnahme zu einer Wirklichkeit abseits des Gegebenen und Mystik als eine Ebene dieser transzendenten Wirklichkeit jenseits von sprachlicher Fassbarkeit auffasst, wird man im musikalischen Erleben beiden Erfahrungsebenen nahe kommen können.
Musik kann einen Weg zu einem tieferen Selbst und zum Göttlichen eröffnen. Sie kann Menschen in Lebensräume führen, die über andere Zugänge vielleicht nicht so unmittelbar möglich sind. Und sie kann Menschen damit vorbereiten auf ein Transzendenzerleben, das nicht ausdrücklich über die Hochreligionen vorgeformt wurde. Insofern ist es nicht nur die sakrale Musik, der dies möglich ist. Auch andere Genres, wie Klassik, Pop, Folk, Volkslied, Jazz u.a. können Menschen unmittelbar im emotional-seelischen Bereich tief berühren. Und deshalb ist dieses Berührt-Werden das eigentlich Ausschlaggebende für einen Weg über das musikalische Erleben zum Göttlichen.

Berührt-Werden ist ein passiver Vorgang. Der Mensch empfängt etwas, das er sich nicht selbst erwerben kann. Berührt-Werden als Resonanzerleben ist nicht machbar; es wird gegeben oder besser gesagt: geschenkt. Wenn es auf etwas bezogen ist, das ich ersehne, mir aber selbst unverfügbar ist, bezieht es sich auf eine Dimension des Religiösen. Und solange es nicht erkannt oder benannt aber sehr wohl erfahren werden kann bleibt es geheimnisvoll, im Bereich des Mystischen.

Das Mystische aber, so die Erfahrung vieler Suchender, will erkannt werden. Das Geheimnis will sich offenbaren. Religiös gesprochen: „Gott“ will sich offenbaren als das, was er ist, als „Ich bin“. Als Da-Seiender, zu jeder Zeit in jedem und allem. Das bedeutet nicht, dass wir „Gott“ in seiner Fülle erkennen können. Es bedeutet, eine „seiner“ Offenbarungsformen, z.B. über die Musik, in uns selbst erleben zu dürfen. Und dieses Erleben erfordert nichts, kann aber zu Allem führen.

Im Zweifelsfall: Vergesst das hier Geschriebene und lasst Euch von einem Musikstück mitnehmen, vielleicht schon von der Hymne „Shall we gather at the river“ im bald folgenden Blockbeitrag.