auf dem Weg zur Quelle

Schlagwort: Mystiker*innen (Seite 1 von 2)

Lieben!

„Ich will Wasser in die Hölle gießen
und Feuer ans Paradies legen,
damit diese beiden Schleier verschwinden
und es deutlich wird, wer Gott aus Liebe,
nicht aus Höllenfurcht oder Hoffnung aufs Paradies anbetet.“
(Bild oben: Exponat in der Asienausstellung, Humboldtforum, Berlin)

Pfingsterleben (3)

Offenbarung des Geistes

Der Paraklet ist es, der dem Menschen die heilige Macht offenbart, die allezeit in ihm wohnt, den Schutz, die noetische Kraft, die den Menschen immerdar behütet und alles Schädliche wegtreibt von ihm, damit es sich weder seiner Seele noch seinem Körper nähere. Diese Kraft nimmt der erleuchtete und immaterielle Geist auf unsichtbare Weise wahr mit den Augen des Glaubens, und die Heiligen lernen sie genauer kennen durch die Erfahrung.

Isaac der Syrer, Rede 62,41

Die Geburt

Gott wird dann in uns geboren,
wenn alle Kräfte unserer Seele,
die vorher durch Gedanken, Bilder
und was es auch sei,
gebunden und gefangen waren,
ledig und frei werden
und in uns
alle Absicht
zum Schweigen kommt.

Meister Eckhart

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

R.M. Rilke, 1898

… im Werden

Gibt es etwas, was Ihnen die Hoffnung nehmen kann, so einstens in Ihm, in dem Fernsten, Äußersten zu sein? Feiern Sie, lieber Herr Kappus, Weihnachten in diesem frommen Gefühl, daß Er vielleicht gerade diese Lebensangst von Ihnen braucht, um zu beginnen; gerade diese Tage Ihres Überganges sind vielleicht die Zeit, da alles in Ihnen an Ihm arbeitet, wie Sie schon einmal, als Kind, atemlos an Ihm gearbeitet haben. Seien Sie geduldig und ohne Unwillen und denken Sie, daß das wenigste, was wir tun können, ist, Ihm das Werden nicht schwerer zu machen, als die Erde es dem Frühling macht, wenn er kommen will.
Und seien Sie froh und getrost.

R.M. Rilke, Brief an Xaver Kappus vom 23. Dezember 1903

Der Kommende…

Warum denken Sie nicht, daß er der Kommende ist, der von Ewigkeit her bevorsteht, der Zukünftige, die endliche Frucht eines Baumes, dessen Blätter wir sind? Was hält Sie ab, seine Geburt hinauszuwerfen in die werdenden Zeiten und Ihr Leben zu leben wie einen schmerzhaften und schönen Tag in der Geschichte einer großen Schwangerschaft? Sehen Sie denn nicht, wie alles, was geschieht, immer wieder Anfang ist, und könnte es nicht Sein Anfang sein, da doch Beginn an sich immer so schön ist? Wenn er der Vollkommenste ist, muß nicht Geringeres vor ihm sein, damit er sich auswählen kann aus Fülle und Überfluß? Muß er nicht der Letzte sein, um alles in sich zu umfassen, und welchen Sinn hätten wir, wenn der, nach dem wir verlangen, schon gewesen wäre?

R.M. Rilke, Brief an Xaver Kappus vom 23. Dezember 1903

Sei du dein

Niemand kann sich dir nahen, da du unnahbar bist.

Daher erfaßt dich niemand, es sei denn, du schenkst dich ihm. Wie wirst du dich mir geben, wenn du nicht erst mich selbst mir gibst? –

Und wie ich in schweigender Betrachtung ruhe, antwortest du mir, Herr, in der Tiefe meines Herzens.

Und du sagst: Sei du dein, so werde ich dein sein!

O Herr, du Beglückung in aller Wonne, du hast es zur Sache meiner Freiheit gemacht, daß ich mein sein kann, wenn ich so gewollt habe. Gehöre ich nicht mir selbst, so gehörst auch du nicht mir.

Nicolaus von Cues: De visione dei 7

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