Es waren die drei schwierigsten Tag ihres Lebens. Nach der Diagnose musste sie noch bis zum Beginn der darauffolgenden Woche warten, bis eine Operation möglich war. Am letzten Abend vor der Fahrt ins Krankenhaus nervte sie noch der 16jährige Sohn mit einem PC-Problem, das sie für ihn lösen sollte. „Vielleicht lebe ich in einigen Monaten nicht mehr, und ich soll mich jetzt um deinen scheiß Computer kümmern“, war der verständliche aber unbeholfene Versuch, sich dieser Aufdringlichkeit zu erwehren. Dass hinter dieser technischen Aufdringlichkeit Ihres Sohnes eine persönliche Dringlichkeit verborgen war, konnte sie damals nicht sehen.

An dem Sonntagnachmittag stand sie mit gepackter Tasche vor dem Krankenhausbett. „Alles, wie bei meiner Mutter“, war das Mantra ihrer Gedanken seit drei Tagen. Ihre Mutter, die etwa im gleichen Lebensalter an dem gleichen Karzinom ein halbes Jahr nach der Operation verstorben war. Es wurde für sie immer klarer: „Das ist auch mein Schicksal!“

Und dann, einige Stunden später: „Wenn es denn nun dein Wille ist, dass ich sterben soll, so will ich diesen Weg mit dir gehen.“ War das ein Gebet, ein Gedankeneinfall oder eine innere Stimme? Danach schlief sie ein. Und auch in der Nacht vor der schweren Operation schlief sie ungewohnt tief. Beim Aufwachen am nächsten Morgen war das warme Licht noch da, das sie am Vorabend bereits umflutete, auch noch das Gefühl des Gehalten-Werdens und diese umfassende und unfassbare Tröstung. Auch noch nach der Operation viele Wochen. Hinzu kam dann noch eine ungewohnt tiefe Dankbarkeit allem gegenüber, allem…. Es war nicht mehr bedeutsam, ob sie weiter leben oder sterben sollte; sie lebte jetzt  – in einem Zustand der Seligkeit.

Ihr Mann, der sie im Krankenhaus besuchte und sich große Sorgen machte, konnte diese Leichtigkeit nicht verstehen und auch nicht gut annehmen. Ihr Sohn war in seiner Angst um seine Mutter gefangen und erlebte die Besuche am Krankenbett wie in Trance. Im Nachhinein konnte er sich an nichts mehr in dieser einen Woche erinnern. Für sie aber war dieses Erleben eine Perle, die auch lange Zeit danach ihren Glanz nicht verloren hatte. Bis der Alltag wieder um sich griff und Gewohnheiten das Tagesgeschehen und Denken bestimmten. Erst dann kam das Verblassen.

Was blieb und bleibt ist die Erinnerung an die Tröstung in Todesnot und an die Freiheit, die große Freiheit durch Übergabe des eigenen Lebens.