Wir Menschen leben wohl eher selten in einem Zustand der Erfüllung. Auch wenn ich zeitweilig die Stimmigkeit der Lebensumstände empfangen oder gar genießen darf, so sind bei mir einzelne Lebensbereiche öfter in einem Zustand des Unbehagens, des Entstehens oder des Vergehens und dann auch mit Unwohlsein, Schmerz oder gar Leid verbunden. Dennoch lebe ich eigentlich mehr oder weniger durchgehend auf etwas hin. Etwas, das jetzt noch nicht ist, soll werden oder kommen.


Der Advent ist in der christlichen Religion der Zeitabschnitt, in dem Christen bewusst auf die Geburt Jesu hinleben. Die großen Mystiker regen an, die Geburt Christi im eigenen Leben zu ersehnen; „Er“ soll in mir als meine wahre Natur lebendig werden. Die eigene, naturgegebene Selbstbezogenheit kann dann, so die Verheißung, in und mit der göttlichen Liebe in eine umfassendere Seinsbezogenheit  hineingewandelt werden. Unabhängig von der Frage, wie dies möglich ist, stellt sich die Frage, wie überbrücke ich die Zeit von meinem Jetzt zu dem gewünschten Später. Was hat es überhaupt mit dem Warten auf sich?


Das Wort „warten“ hat von Wortursprung her zwei Bedeutungen: „Ausschau halten“ und „pflegen“. Beim Warten geht es also um aktive Vorgänge und nicht um ein passives „Däumchendrehen“. Ich „halte Ausschau“ nach dem, was kommen mag und sich, vielleicht nur ansatzweise und eher verborgen, zeigt. Ich schärfe meine Sinne und mein inneres Empfinden für die äußeren und inneren Zeichen der Ankunft dessen, was bzw. den ich ersehne. Ich nehme damit aber auch in den Blick, was sich an Fragen, Zweifeln und noch Ungelöstem in meinem Leben zeigt und integriere es so gut es eben geht in meine Wartehaltung. Ich gehe mit meiner damit verbundenen Unfertigkeit „pfleglich“ um, weil ich immer mehr lerne, dass gerade diese Unfertigkeit der Mutterboden göttlicher Wandlungskraft ist. Vielleicht lerne ich dann sogar, mit der Unfertigkeit anderer Menschen besser umzugehen und sie nachfolgend dann auch pfleglicher zu behandeln.


All dies ist nur möglich, wenn ich beim Warten auf das Zukünftige ganz im Hier und Jetzt lebe. Wenn ich beim Warten nur die eigene, zukünftige Wunschvorstellung im Blickpunkt habe und mich damit vom Leben im Jetzt löse, werde ich die aktuell sich zeigenden Zeichen übersehen und damit mein eigenes Wünschen verabsolutieren. Aber der göttliche Wind weht wann und wo er will, und mir wird gegeben, was gut für mich ist. Es könnte ja auch sein, dass nicht die „Gottesgeburt“ auf „seiner“ Agenda steht, sondern dass etwas überraschend anderes zum Durchbruch kommen will, das ich zu meiner Menschwerdung benötige.

Foto: Markus Goossens