Kontemplation ist einesteils eine Form der nichtgegenständlichen Meditation, die als Teil des christlich-mystischen Weges zur „Gottesschau“ führen kann. Im Unterschied zum gesprochenen Gebet ist im schweigenden Gebet der Kontemplation die Ich-Du-Beziehung zwischen Mensch und Gott aufgehoben. Gott wird nicht mehr als Gegenüber und Objekt angesprochen, sondern der Meditierende erlebt sich in Gott, dem eigentlichen Subjekt, in dem alles Leben aufgehoben ist. Mit dieser Einheitserfahrung verlieren religiöse Grenzen ihre Bedeutung. Der Meditierende wird Mystiker. Er erkennt sich nicht mehr in sich selbst, sondern im alles umfassenden „wahren Selbst“.

In einem – scheinbar – anderen Sinn ist Kontemplation eine Form von Erkenntnis „im Zustand von Liebe“ (Bede Griffiths). Hier kann Kontemplation aus dem religiösen Kontext gelöst gesehen werden und jedem wahrhaft liebenden Menschen zugänglich sein. Er/sie empfängt durch eine tiefgehende Liebeserfahrung einen neuen Blick auf sich, andere Menschen und die Welt, der durch Klarheit, Offenheit und Mitgefühl gekennzeichnet ist. Das kann Menschen veranlassen, diesen neuen Blick in vielfältigen Formen, auch künstlerisch oder literarisch, zum Ausdruck zu bringen (Höre die Interpretation des Lennon-Songs im vorherigen Beitrag). Nicht zuletzt dadurch – aber natürlich auch grundsätzlich – können Musik, Kunst und Literatur wiederum Quellen kontemplativer Erkenntnis sein.

Entscheidend ist, dass kontemplative Erkenntnis auf vielfältigen Wegen und prinzipiell jedem Menschen zugänglich ist. Die eigene authentische Erfahrung ist maßgebend, nicht die Expertise oder das Urteil von Fachleuten. Was aber niemanden davon abhalten sollte, sich mit erfahrenen Menschen über das eigene Erlebte auszutauschen. Denn nicht alle Früchte, die wir auf dem mystischen Weg finden, sind unbedenklich genießbar.