Zu Beginn des mystischen Weges kann es sein, dass bei religiös sozialisierten Menschen das alte, gelernte Gottesbild wegbricht. Das mag dann dazu führen, dass auch der Kontext, in den das Gottesbild integriert war, also die Religion, an Bedeutung verliert oder verloren geht. Weiter gehend kann aber auch „Gott“ selbst sterben. Aber Gott als innerste Lebenskraft, als „motor movens“ des Lebens, kann nicht sterben. So sind es also die Projektionen in diesen „Gott“, die nicht mehr lebbar sind und ggf. absterben. Sie haben lange Zeit ihren Dienst getan, aber zu einem gewissen Zeitpunkt nehmen wir dann diesen „Gott“ als selbst- oder fremdgeschaffen, als Götzen, wahr. Eine Möglichkeit damit umzugehen ist der atheistische Lebensweg. Ein anderer ist die Suche nach dem wahren Gott jenseits menschlicher Zuschreibungen und Zugriffe.
Es ist keine Fiktion, wenn Menschen früherer und heutiger Zeiten beschreiben, dass sie in der Stille, durch Meditation, in Visionen und Lebenskrisen eine unmittelbare Erfahrung machen, die ihren Horizont über den eigenen Bewusstseinsbereich öffnet. Diese Öffnung in den transpersonalen Bereich lässt einen Gott erahnen, in den alles Leben eingewoben ist. Die Trennung zwischen Mensch und Gott, Ich und Du, verliert an Bedeutung. Man erkennt, dass Gott und Ich im Innersten eins sind, ja, dass es die Trennung in Ich und Du nicht gibt.
Die Wahrheit ist Nicht-Zweiheit.
Aber nach dieser „Erleuchtung“ können wir gewahr werden, dass die Zweiheit sich neu öffnet und in ein neues, gereinigtes Gottesverhältnis mündet. Sie ermöglicht dann ein lebendiges Bezogensein auf Gott, frei von Zuschreibungen und Konzepten. Und diese Beziehung kann als überaus beglückend empfunden werden.
Das Leben ist Beziehung.
Scheinbar befinden wir uns wieder am Anfang unseres religiösen Lebens. In Wirklichkeit aber sind wir in einen anhaltenden Reifeprozess eingebunden, in dem Erstarrtes lebendig werden kann und der es uns ermöglicht, Religion zu relativieren und ihr in Freiheit zu begegnen.