Dass wir nicht all unseren Gedanken glauben sollen, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Wir sind in der Lage, die verrücktesten Sachen zu denken und die kompliziertesten Gedankenketten zu spinnen. Das ist an sich nichts Schlechtes und kann sogar mit dazu beitragen, menschliche Kreativität zu entfalten. Es kann andererseits aber auch dazu führen, dass wir uns gedanklich bzw. geistig verirren.

Unser menschlicher Geist ist immer in Bewegung. Und dies gilt besonders in Zeiten innerer Anspannung oder Not. Er sucht zu lösen, was Spannung und Not erzeugen und leider oft genug führt gerade dies eben in weitere Verstrickung und tiefere Not. Und dies gilt auch für Menschen, die spirituell und vor allem mystisch ausgerichtet sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass vorschnelles und unreflektiertes Be-folgen „heiliger“ und „frommer“ Gedanken und Vorstellungen in Sackgassen führen kann. Nicht alles, was sich als fromm und gottgefällig gibt, führt in die innere und äußere Weite. Der „Teufel“ kleidet sich am liebsten in fromme Kleider, hieß es sinngemäß bei früheren Gottsuchern und Mystikern. In heutiger Sprache kann man vielleicht sagen, dass ungeordnete Ich-Anteile sich eine „göttliche“ Ordnung zusammenzimmern, mit der sie sich aus dem selbst erzeugten Sumpf ziehen wollen. Aber es geht in Zeiten geistiger Unruhe nicht darum, etwas zu machen oder erreichen, sondern sich erreichen zu lassen – vom Lebensruf und vom göttlichen Licht, das unseren Geist und unser Herz erleuchten will.
Auf dieser Spur hilft es, innezuhalten, ein Stück weit sich selbst auszuhalten, zu erspüren, zu „hören“ und einen gesunden Unglauben gegenüber den „schein-heiligen“ Gedanken zuzulassen. Gott-sei-Dank helfen uns oft auch leib-seelische Symptome, die uns aufzeigen, wenn wir auf dem Holzweg sind. Diese Form der Ernüchterung tut not, wenn wir besonders fromm und heilig sein wollen. Das Schöne ist, wir müssen es gar nicht sein. Es reicht, der und die zu sein, die wir sind. Und wir sind auch diejenigen – und dürfen es sein – die sich spirituell verlaufen können, weil wir uns in unserem gedanklichen Gestrüpp verirren. Das zu sehen, anzuerkennen und anzunehmen hilft uns, die Wirklichkeit unseres Personseins zu leben.