Ein … Wesenszug der Mystik ist die Botschaft der Barmherzigkeit. Der Mystiker ist nicht einfach ein nach innen gewandter Mensch. Er ist nicht nach innen verfeinert und nach außen versteinert! Die Innenschau führt nicht zur Introversion! Das Göttliche wird vielmehr als die universelle Gegenwart erfahren. Der Mystiker schaut alles mit einem göttlichen Auge neu an. Dann wird der gesamte Kosmos als eine Theophanie wahrgenommen: Gottes Geist verwandelt alles zum neuen Sein. So wird in der Bibel vom Reich Gottes gesprochen und in den östlichen Schriften vom Dharma. Es geht letztlich um die ganzheitliche Integration zwischen dem Kosmischen und dem Menschlichen im Göttlichen. Der Mensch nimmt an diesem Prozess durch Barmherzigkeit Teil. „Gott in allem erkennen, und alles in Gott betrachten“ – dies ist eine Aussage, die man in den Schriften verschiedener Religionen findet. Wenn man Gott in den anderen Menschen und in den Dingen der Natur wahrnimmt, kann man nur barmherzig mit ihnen umgehen. Alle großen Religionen vermitteln die Botschaft der Barmherzigkeit. Jesus verkündete: „Barmherzigkeit will Gott, nicht Opfergaben“ (Mt. 9,13) Und in der Bhagavad Gita hören wir: „Barmherzigkeit ist ein Grundmerkmal des von Gott geliebten Menschen.“ (12:13) In der Barmherzigkeit treffen sich alle Religionen.

Sebastian Painadath, Leiter des Ashrams Sameeksha („ganzheitliche Schau“ ) in Kerala, Indien