Abgesehen vom Herzensgebet, das eher in ein regelmäßiges Gebetsleben bzw. in eine täglich wiederkehrende Mediationspraxis eingebunden ist, gibt es offenere Formen des meditativen Gebets: biblische Mantras. Sie ermöglichen einen tages- und situationsunabhängigen Zugang zu einer Gottesbeziehung, die von göttlichen Verheißungen und Heilszusagen ausgeht. Im Unterschied zum Positiven Denken und anderen Formen selbsterlösender Praktiken geht es bei religiösen Mantras nicht um ein manipulatives Verfügbarmachen göttlicher Heilkraft (was ja aufgrund der göttlichen Unverfügbarkeit per se nicht möglich ist). Vielmehr beziehen sie sich auf göttliche Verheißungen aus den heiligen Schriften der Religionen und auf die den Schriften zugrunde liegenden Erfahrungen von Menschen mit ihrem Gott. Die persönliche Erfüllung der Verheißungen und Zusagen sind, wie erwähnt, nicht erzwingbar, auch wenn eine große Glaubenshoffnung damit verbunden sein darf. Gleichsam sind solche Aussagen/Mantras dennoch von einer Evidenz geprägt, die den Kreislauf des Zweifelns und Hinterfragens durchbrechen können. Diese Evidenz, und das ist das Erlösende, bleibt aber in göttlicher Hand und führt somit nicht in die Widersprüchlichkeiten spiritueller Eigenermächtigungen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass einige Mantras, die mich in einer schweren Zeit tagsüber oder des nachts innerlich begleitet haben, zu der in deren Aussagen verheißenen Wirklichkeit geführt haben.
Bei mir selbst waren das solche, wie:

  • Du befreist mich von der Angst.
  • Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. (Psalm 18)
  • Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell. (Gotteslob, 629)
  • Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele. (Psalm 63)
  • Gott walt’s zu frommen nach sei’m Wohlgefallen. (Petrus Herbert; siehe vorheriger Blogbeitrag)
  • Du zeigst mir den Pfad zum Leben. (Psalm 16)

Eine große spirituelle Kraft geht auch von geistlichen Liedern aus, die, als musikalisches Mantra im menschlichen Herzensraum weiterschwingen können. Der Choral „Befiehl du deine Wege“ aus der Matthäus-Passion (https://www.youtube.com/watch?v=O-zHxwWkktM) ist ein solcher Text, der in seiner naturbezogenen Bildhaftigkeit („Wer Wolken Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn…“) so tröstlich auf die Naturgegebenheit persönlicher Wegfindung („… der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann“.) schließen lässt.

Diese Gebetstexte und –lieder können in Krisenzeiten eine besondere, innere Stütze sein. Sie sind aber kein Allheilmittel und entbinden uns nicht davor, therapeutische, medizinische oder anderweitige Hilfe zu ersuchen, wenn sie nötig ist.