Was ist der Weg der Befreiung? Wie kommen wir aus dem Gefängnis des ichbezogenen Geistes zu der Befreiung in unser wahres Selbst? (Im indischen Denken ist das wahre Selbst, Atman, und das Göttliche, Brahma, identisch.) Wie im vorherigen Beitrag angekündigt gibt Krishna im 12. Kapitel der Bhagavad Gita dazu eine differenzierte und ausführliche Antwort.

12,2: „Jene, die mich mit auf mich gerichtetem Geiste, in anhaltendem Ernste und im Besitz des höchsten Glaubens verehren, die betrachte ich als am meisten im Yoga vollkommen.“

Die eindeutige Antwort ist also zunächst, dass die Verehrung des offenbarten Gottes und die Hingabe an ihn das größte Yoga besitzen, also zu der höchsten Einheitserfahrung führen. (Im Christentum ist der geoffenbarte Gott Jesus Christus.)

12,3: „Aber jene, die das Unvergängliche, das Undefinierbare, das Unoffenbare, das Allgegenwärtige, das Undenkbare, das Unveränderliche und das Unbewegliche, das Beständige verehren, indem sie alle Sinne bezähmen, in allen Lagen gleichmütig sind, sich an der Wohlfahrt aller Geschöpfe erfreuen, diese gelangen gewisslich zu mir.“

Auch diejenigen, die sich in das absolute Transzendente versenken kommen zur Gottesgemeinschaft. Aber, wie in 12,5 ausgeführt wird, ist die Suche nach der transzendenten Gottheit schwieriger und wohl nur für die Menschen geeignet, deren Geist in der gegenstandslosen Versenkung geübt ist.

12,10: „Wenn du auch unfähig bist, mich durch Übung zu suchen, dann sei einer, der im Dienst an mir sein höchstes Ziel hat. Auch indem du um meinetwillen Handlungen vollbringst, wirst du die Vollendung erreichen.“

Menschen also, deren Kräfte eher auf die äußeren Umstände des Lebens gerichtet sind, erreichen die Vollendung durch ihr, christlich gesprochen, diakonisches Handeln, also durch ihren Dienst an Gott und Mensch.

12,11: „Wenn du auch dieses zu tun unfähig bist, dann entsage mit bezähmtem Selbst der Frucht des Handelns, indem du Zuflucht zu meinem gebändigten Tätigsein suchst.“

Und als viertes kann man zur göttlichen Einheitserfahrung kommen, wenn man sich nicht mehr mit der Frucht des eigenen Handelns identifiziert – wenn wir in unserem Tun also alle Bestrebungen nach Belohnung aufgeben und das Ergebnis unseres Tuns nur auf die erlösende Kraft Gottes zurückführen.

Dieser Vierschritt entspricht, so kann man die o.g. Ausführungen deuten, vier verschiedenen Wesenstypen von Menschen. Deshalb ist es sicher von Bedeutung, dass man erkennt, welchem Typus man eher zuzurechnen ist. Es kann aber sicher auch sein, dass ein Mensch, je nach Lebensentwicklung, mal eher der einen oder anderen Form zugeneigt ist.

Interessant erscheint mir, dass es auch im christlichen Kontext eine Vierheit gibt, welche die Grundvollzüge der Kirche umschreibt: Martyria (Zeugnis geben) , Liturgia (Feier der Eucharistie) , Diakonia (Dienst am Notleidenden) und Koinonia (Gemeinschaft).