Lesejahr B

Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung,(Jes 61, 1)

Prophetisches Reden übersetzt das Unübersetzbare. Propheten sind Grenzgänger und leben, zumindest zeitweise, im Lichtstrahl des göttlichen Geistes. Sie empfangen Botschaften, die mit dem Tagesbewusstsein nicht wahrgenommen werden können und tragen Sie ins diesseitige Leben. Potenziell sind wir alle prophetisch veranlagt (im Traum vielleicht oder mit unserer Intuition), im Bereich der Spiritualität ist diese Veranlagung doch eher wenigen Menschen vorbehalten. Wie gut, dass es Schriften gibt, aus denen wir Botschaften schöpfen können, die unser Fassungsvermögen überfordern. Wie sollte man glauben können, dass auch denjenigen, deren Herz zerbrochen und deren Seele gefesselt ist Heil zukommen kann?

Brüder (und Schwestern natürlich)! Freut euch zu jeder Zeit! (1 Thess 5,16)

Geht das, sich freuen zu jeder Zeit, auch in Ungemach, in Zeiten der Verzweiflung oder gar im Tal der Todesschatten? Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit empfinden, Glück im tiefsten Unglück? „Und dann muss es einem in solcher Lage immer wieder geschehen, dass plötzlich das Herz die Fülle des zuströmenden Lebens und Glückes nicht mehr zu fassen vermag.“ schreibt Alfred Delp aus der Todeszelle. Es muss geschehen, sagt Alfred Delp, und es ist ihm geschehen.

Betet ohne Unterlass! (1 Thess 5, 17)

„Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun.“ schreibt er weiter. Ist dies das „muss“? Die lebendige Beziehung zu einem göttlichen Gegenüber und die daraus wachsende Erfahrung der inneren, von allen äußeren Bedingtheiten losgelösten Freude? Einer Freude in allem und über allem? „Der Mensch muss, um des wahren Lebens fähig zu sein, in bestimmten Ordnungen und Beziehungen zu Gott stehen.“

Dass eine ähnliche Erfahrung auch „normalen“ Menschen möglich ist, musste und durfte ich vor 15 Jahren erfahren. Nach meiner Diagnose Nierenkrebs war für mich klar, dass ich, wie mein Vater, daran sterben müsse. In der Nacht vor meiner Operation sprach ich, wohl in einer Art Gebet, zu Gott und sagte: „Wenn der Weg in den Tod nun dein Weg mit mir ist, so will ich ihn mit dir gehen.“
Nach diesen Worten fiel alle Angst und Verzweiflung von mir ab. Ich schlief tief und fest ein und fühlte mich durch die Operation und die nachfolgende Zeit getragen. Es war mit dieser Übergabe nicht mehr von Bedeutung, ob ich leben oder sterben würde; es war nur von Bedeutung, da zu sein. Ich kann meine damalige Gefühlslage nicht beschreiben. Es war auch Freude da, aber anders als die mir bekannte Freude; es war noch eher wie ein Gefühl des Getragen- Seins; ich fühlte mich, vielleicht kann ich das wirklich sagen, selig. Dieser Zustand hielt Wochen an und hat sich dann allmählich verflüchtigt. Er hat sich seitdem so nicht mehr wiederholt oder wiederholen lassen. Meine „Adamsnatur“ und das Privileg des Überlebens hat wohl meine „Christusnatur“ und das überphysische Da-Sein allmählich verdrängt.

Dankt für alles; … Löscht den Geist nicht aus!(1Thess 5,18-19)

Noch so eine Zumutung: für alles danken. Klar, für das Schöne im Leben, das Angenehme, den Erfolg. Aber auch für das Hässliche, das Unangenehme, den Misserfolg, die Krankheit, den drohenden Tod? Das geht wohl nicht aus dem Kreatürlichen des Lebens, darin ist Unglück Unglück, Leid Leid, Schmerz Schmerz und Tod Tod. Menschen, die aus dem Geist leben, sprechen davon, dass es möglich ist: für alles zu danken.

Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. (Lk 1,46-47)