Wir alle machen im alltäglichen Leben die Erfahrung, dass eine vergangene Ursache eine zeitlich später auftretende Folge hat. Wir fragen dann, vor allem bei Krankheit und Leid, nach dem Warum eines Ereignisses oder Geschehens. Dieses Lebensprinzip ist einleuchtend und in vielen, wahrscheinlich den meisten, Situationen nutzbringend.
Im geheimnisvollen Weg des inneren Werdens kann sich aber auch der umgekehrte Weg als lebensleitend erweisen: Wir haben, z.B. in einer Krise, eine Vorstellung von dem, wie es in der Zukunft sein soll. Und von dieser Zukunftsperspektive aus suchen wir die Kräfte und Wege, die uns dorthin führen können. Dann ist nicht mehr das vergangene Geschehen Ausgangspunkt meines jetzigen Weges, sondern das zukünftig anvisierte. Dann kommt es zu einer Umkehrung der Kausalkette: Das Zukünfige wird „Ur“-Sache.

Göttliche Verheißungen in der Bibel sind solche „Ur“-Sachen. Wenn ich mich ihnen anvertraue, werde ich auf den der Verheißung entsprechenden Weg in die Zukunft geführt. Für mich selbst war in einer schweren Zeit die Landverheißung aus dem Buch Ezechiel auch für meinen persönlichen Weg Richtschnur: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land.“ (Ez, 36,24). Und es geschah so (natürlich nicht umfassend und abschließend).
Ins „eigene Land kommen“, sein eigenes Wesen erkennen und ihm gemäß zu leben ist eine Lebensaufgabe, die vielleicht nie ganz erfüllt sein kann. Aber dieser Aufgabe treu zu sein und ihr trotz aller Abirrungen immer wieder die Wege neu zu bereiten bleibt Richtschnur meines Lebens. Und so frage ich auch in krisenhaften Lebenssituationen auf meinem geheimnisvollen Lebensweg nicht mehr nach dem Warum, nach in der Vergangenheit liegenden Gründen. Meine Frage ist: Wozu. Wozu ist die jetzige Lebenssituation gut? Wohin kann ich von hier aus gehen, und wer soll ich werden?