„Wenn das Volk sieht, was meine Hände in seiner Mitte vollbringen, wird es meinen Namen heilighalten“. (Jes 29,23)

Die Mitte des Menschen. Was ist diese Mitte? Sie ist keine anatomische oder intellektuelle Mitte. Es ist eine geistige Mitte, des Menschen Heiligtum. Es ist der Herzensraum des inneren Menschen, der Ort seines wahren Seins. In diesem Raum ist die Grenze individueller Identität überwunden. Hier ist der Kraftraum des Menschen, der Ort, in dem seine Lebensquellen entspringen. Für diesen inneren Raum, so sehr er jedem Menschen zu eigen ist, gibt es kein Zutrittsanrecht. Er kann nur von innen geöffnet werden. Nur selten finden wir Einlass in diesem Raum. Doch manchmal öffnet sich die Tür zu diesem Raum, im Tag- oder Nachttraum, in der Stille und Absichtslosigkeit, im Gebet oder in existenziellen Notsituationen – wenn wir alles abgegeben haben, unsere Vorstellungen und Wünsche, unseren geistigen und materiellen Besitz und vor allem uns selbst. Dann, wenn wir leer geworden sind von all dem, passen wir durch die schmale Pforte.
Es gibt eine Sehnsucht nach diesem heiligen Raum und das Bedürfnis aus seinen Lebensquellen zu trinken, lebendiges Wasser, das den Durst der Seele wirklich stillt und Leben schenkt. Doch es kann auch sein, dass in diesem Raum die Quellen versiegt sind oder verschüttet von den Bruchstücken meines Lebens. Mit all dem, was hätte sein sollen oder sein können. Mit all dem, was ich an Unnützem angehäuft habe. Und vor allem mit dem Felsstein meiner Selbsterlösungsvorstellungen. Dann braucht es einen Quellmeister, der mein Leben kennt und sich nicht davor scheut, mit dem menschlichen Unrat in Berührung zu kommen. Einen Quellmeister, der all das von der Quelle entfernt in der richtigen Reihenfolge und in einer angemessenen Zeit. Mit seinen Händen vollbringt er, was wir nicht vollbringen können. Mit seinen Händen legt er frei, was verschlossen und erdrückt ist. Und dann, wenn die Quelle wieder freigeräumt ist und die Lebensquelle wieder fließt, schöpft er Wasser, um es uns zu reichen.

Dieser Quellmeister ist schon da, aber er muss noch geboren werden, immer wieder. Bauen wir ihm eine Krippe mit dem Gescheiterten und Unfertigen, mit dem Mist und Unrat unseres Lebens.