Oder: In Christus kommt alles zusammen

Das griechische Wort für Teufel ist dia-bolos; der gegenteilige Begriff ist sym-bolon.
Sym-ballein heißt zusammenwerfen, zusammenfügen, der Diabolos ist der Zerwerfer, der Auseinandertreiber.

Wenn wir uns den „Teufel“ als eine geistige Kraft vorstellen, so müsste “er“ von der ursprünglichen Wortbedeutung her eine zentrifugale, zerstreuende und zersplitternde Kraft sein. Etwas oder jemand verlöre, wenn der diabolos am Werk ist, seine umfassende Einheit, seine Bestimmung als Ganzheit. Er lebte in einem Zerwürfnis.

Wenn wir es uns leicht machten, so könnte man annehmen, alles oder jeder, der eine zersprengende, aufrührerische und zerteilende Wirkung hat sei im negativen Sinn diabolisch. Wir wissen aber nicht nur aus den Naturereignissen, dass eruptive und explosive Kräfte zwar als bedrohlich erlebt aber auch als notwendig betrachtet werden können. Wenn man so will, ist die gesamte Evolution ja nichts anderes, als eine sich immer weiter entwickelnde Differenzierung der wahrscheinlich aus einer hochverdichteten Einheit stammenden Materie. Es ist als gesichert anzunehmen, dass sich das gesamte Universum seit dem Urknall in einem stetigen Ausdehnungs- und Differenzierungsprozess entfaltet.

Dass man von der Einheit wegkommt, gehört anscheinend Natur gegeben zum Leben. Differenzierung und Analyse sind aber auch in der geistigen Auseinandersetzung und Durchdringung eine Grundvoraussetzung für Erkenntnis und Entwicklung. Wer nur pauschal und undifferenziert wahrnehmen und urteilen will, sich also nicht in das Detail hineinbegibt, obwohl er es könnte, bleibt unter seinen Entwicklungsmöglichkeiten.

Andererseits kann man auch im Detail stecken bleiben. Es ist, denke ich, wichtig, den Blick für das Ganze nicht zu verlieren. Der vielbelächelte Fachidiot ist nur ein Beispiel dafür. Ein Wissenschaftler, der nicht über den Tellerrand der Elementarteilchen hinausschaut und sich seiner Verantwortung für das Ganze nicht bewusst ist, steht nur auf einem Bein. Wenn man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, kann man sich sehr leicht verirren.

Geistige Verirrung und Verwirrung kann ein Zustand sein, in dem man nicht mehr weiß, woran man ist. Eine Unmenge an Informationen, Details, Meinungen und Stimmen schwirren im Kopf herum, ohne dass man auf einen Punkt kommen könnte. Dieser Zustand mag bei einzelnen Menschen oder gar in Gemeinschaften auftreten. Es scheint dann so zu sein, dass sich alles und jeder nur noch um sich selbst dreht und alle Kraft für diese Bewegungen aufgebracht wird. Eine Sammlung nach innen, ein zum Zentrum kommen und eine Verausgabung sind nicht oder kaum mehr möglich. Dieser Zustand der Vereinzelung, der Aufspaltung und des Zerrissen-Seins ist eine uralte menschliche Erfahrung. Wenn diese Erfahrung auf einen überindividuellen Geist zurückgeführt und als zerstörerisch erlebt wird, dann spricht man vom Diabolos, dem Teufel.

„Weg mit dir, Satan“, sagt Jesus sogar zu Petrus, als dieser ihn zu verwirren scheint und von seinem Weg abbringen will.
Vielleicht ist der Satan nur unser eigenes Ich, das es gut meint und bequem haben will im Kleinen und dieses Kleine dann absolut setzt. Aber das scheint nicht das zu sein, was Gott will (sofern wir davon ausgehen, dass es einen Gott gibt und der auch noch etwas will).

Mit Jesus erscheint ein Mensch, der schon im Zentrum ist, sich aber aus diesem heraus wagt. Es genügt ihm scheinbar nicht, bei Gott, in der Mitte, zu sein. Er hätte es sich doch gut gehen lassen und Meditationskurse anbieten können. Aber nein, er wagt sich ins „Detail“ und zu denen, die darin feststecken. Alles Vereinzelte, Einsame, Versprengte und Verlassene hat es ihm besonders angetan. Er hat keine Berührungsängste, mit dem „diabolischen“, versprengten Leben in Berührung zu kommen. Aber warum?

„Alle sollen eins sein“. „Ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin“ (Joh 17,21/24).

Jesus ist der, in dem alles zusammenkommen soll:
– Der Mensch, der in sich gespalten ist.
– Menschen, die getrennt sind aber eigentlich zusammengehören.
– Menschen, die eine Beziehung zu Gott suchen und sie nicht finden können.

Er verkündet diese Synthese nicht nur, sondern er verkörpert sie sogar in seiner Person, da göttlicher Geist und menschliches Fleisch in ihm eins geworden sind.
Jesus ist demnach Symbol im ursprünglichen Sinn und für mich damit sogar geistiger Vollender der „auseinander treibenden“ Evolution.

Wenn ich diesen Jesus richtig verstanden habe, genügt ihm selbst diese, die menschlichen Möglichkeiten auf Äußerste überdehnende Aufgabe immer noch nicht. Er wagt sich an den tiefsten Riss des universellen Lebens, den Tod. Indem er hinabsteigt in die Untiefen des menschlichen Todes steht er allumfassend auf und überwindet die letzte und schmerzhafteste Trennung.

Ich weiß nicht, wie es mir im Angesicht des Todes einmal gehen wird; ob ich dann immer noch so schlaue Reden halte, oder ob ich einsam und verlassen, verzweifelt und qualvoll sterbe.
Es muss an Ihm liegen und an seiner Auferstehung, dass mir ein Bild nicht mehr aus dem Kopf geht: Mir wird eine Hand gereicht, die mich herauszieht aus der Vereinzelung in der ich feststecke und mit hinüber nimmt zum „Vater“, der die alles vereinende Liebe ist.